Urnenwälder kritisch hinterfragen

 

 

In dem vorgenannten Fall in Goch wurde die Errichtung eines Friedwalds mit 23 Gegenstimmen mehrheitlich im Rat abgelehnt. Die teilweise sehr persönlich geführten Diskussionen im Vorfeld waren sinnbildlich: Einerseits gab es die Meinung, dass man um einen Urnenwald in der Region nicht umhin komme, um dem Zeitgeist gerecht zu werden. So wurde argumentiert, dass viele Menschen nicht mehr die Zeit für Grabpflege hätten. Die andere Seite verwies auf die jetzt schon problematische Situation der bestehenden Friedhöfe in der Gemeinde. Tatsächlich ist es äußerst fragwürdig, wieso Kommunen einen Urnenwald zulassen, wo ihre eigentlichen Friedhöfe immer leerer werden und  damit auch ein finanzielles Problem darstellen. Dabei bieten die bestehenden Friedhöfe oft viel Potential, die Leerflächen können mit neuen Friedhofskonzepten belegt werden, die gleichermaßen den Zeitgeist aufgreifen. Anspruchsvoll gestaltete Gemeinschaftsgrabanlagen zu fairen Preisen ohne Verpflichtung zur Grabpflege sind zum Beispiel ein Angebot, das sich in immer mehr Gemeinden durchsetzt und dem bestehenden Friedhof zugutekommt. Selbst die Idee der „Naturbestattung“, die Urnenwaldanbieter für sich einnehmen, ist keine neue Erfindung: Auf vielen Friedhöfen ist eine „Bestattung in der Natur“ möglich, denn viele dieser Trauerorte befinden sich per se in einem natürlichen Umfeld und sind auch in vielen Bereichen sehr naturnah gestaltet. Vielmehr scheint nach dem jüngsten Urteil in Frankfurt, in dem sich ein Urnenwaldanbieter und ein freier Landschaftsarchitekt gegenüberstanden, noch ungeklärt, ob nicht Urnenwälder eher eine Gefahr für unsere Umwelt darstellen.

Die politische Entscheidung für einen Urnenwald löst in den Gemeinden die finanziellen Probleme auf dem Friedhof nicht. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Gebührenschraube auf dem Friedhof immer weiter angezogen werden muss, da noch mehr Verstorbene nicht mehr dort beerdigt werden. Hinzu kommt, dass zwischen Kommune und dem privaten Anbieter immer ein künstliches Vertragskonstrukt geschaffen werden muss, nachdem die Kommune als Betreiber und der private Anbieter als Verwaltungshelfer fungiert. Wer partizipiert hier mehr, wer trägt das Risiko für Folgekosten und die Verkehrssicherheit der Besucher? Immerhin beträgt die Nutzungsdauer oft bis zu 99 Jahre! Das sind Fragen, die sich die Verantwortlichen in einer solchen Situation stellen müssen.

Es kann nicht sinnvoll sein, mit der Ausweisung und dem Betrieb von privatwirtschaftlich orientierten Urnenwäldern Gewinne zu privatisieren und die Verluste auf Dauer über die benachteiligten Kommunen zu sozialisieren.

Und das, obwohl die Potentiale auf bestehenden Friedhöfen bestehen und immer mehr alternative Konzepte entwickelt werden. Damit bliebe auch die tatsächliche Hoheit der Kommune über den Friedhof gewährleistet. Die Zulassung eines Urnenwaldes ist nur eine kurzfristige und vielleicht in diesem Zeithorizont auch bequemere Lösung.

Daher ist die Entscheidung in Goch eine ganz besondere: Die Politik hat sich – nach intensiver Auseinandersetzung mit allen Argumenten – gegen das Projekt entschieden, und dass, obwohl die Verwaltung eine andere Empfehlung ausgesprochen hatte. Nicht ungehört blieben dabei auch die Argumente derjenigen, die tagtäglich Trauernden und Hinterbliebenen gegenüberstehen: Bestatter, Steinmetze, Friedhofsgärtner. Sie hatten sich gegen das Konzept ausgesprochen und in ihrer Argumentation v.a. auf das Potential und die Bedeutung der bestehenden Friedhöfe hingewiesen.

   

Ruheforst in Diersbüttel gescheitert

Auch in Gellersen waren RuheForst und Landwirtschaftskammer mit ihrem Projekt gescheitert. Am Standort Hambörn in Südergellersen betreibt seit April die Samtgemeinde Gellersen einen kleineren Bestattungswald in Eigenregie. Foto: t&w


15. Juli 2016

 

dth Diersbüttel. Der geplante Bestattungswald bei Diersbüttel in der Samtgemeinde Amelinghausen ist vorerst gescheitert. In nichtöffentlicher Sitzung sprach sich der Verwaltungsausschuss der Samtgemeinde dafür aus, die Reißleine zu ziehen. Zuletzt hatte die Samtgemeinde dem privaten Betreiber „RuheForst“, vertreten durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK), sowie der Eigentümerfamilie ein Ultimatum gesetzt. Sie sollten sich bis Ende Juni zu offenen Forderungen der Samtgemeinde erklären vergeblich. Das Projekt war aber schon vorher tot, heißt es aus Verhandlungskreisen. Zentrale Diskussionspunkte waren die Erschließung des Bestattungswaldes sowie die Haftung und Risikoabsicherung über die Laufzeit von 99 Jahren.

Die Verhandlungen waren schon weit fortgeschritten. In Rede stand, ein rund zehn Hektar großes Wald-Areal bei Neu Diersbüttel in der Gemeinde Rehlingen schrittweise zu einem Bestattungswald herzurichten. Doch nun ist alles anders gekommen. Auf LZ-Nachfrage sagt Amelinghausens Samtgemeindebürgermeister Helmut Völker (parteilos): „Ich hätte gerne den Bestattungswald bei uns gehabt. Ich bin von der Sache überzeugt, aber nicht unter diesen Bedingungen.“

Den Verwaltungschef trieb zuletzt auch die Haftungsfrage um in der Konstellation von Eigentümerfamilie, „RuheForst“ als Betreiber und der Samtgemeinde als Träger. „Am Ende kann sich jeder aus dem Projekt verabschieden, nur die Samtgemeinde nicht.“ Der Eigentümer kann insolvent gehen, auch die RuheForst könnte innerhalb von 99 Jahren theoretisch in betriebliche Turbulenzen kommen. Nur die Samtgemeinde wäre als Friedhofsträger gesetzlich verpflichtet, das Projekt mit eigenem Geld fortzuführen. Für so einen Fall habe Völker angeregt, dass Eigentümer und Betreiber einen Teil ihres jährlichen Erlöses in einen Sicherungsfonds einzahlen. Doch RuheForst und LWK haben sich laut Völker nicht darauf eingelassen.

Jost Arnold, Geschäftsführer der RuheForst GmbH mit Sitz im hessischen Erbach, sagt auf LZ-Nachfrage: „Wir sind nur Dienstleister. Eine Haftungssicherung gegenüber von Ruheforst wäre nicht sinnvoll. Infrastrukturleistungen und Verkehrssicherungspflicht hängen an Grund und Boden und sind somit Sache des Flächen­eigentümers.“ Mit Blick auf die zurückliegenden Verhandlungen verweist Arnold auf die Landwirtschaftskammer Niedersachen, die die Interessen von RuheForst vor Ort vertritt.

Die LZ hatte bereits vor Wochen den Projekt-Verantwortlichen bei der Landwirtschaftskammer schriftlich um Stellungnahme gebeten und keine Antwort erhalten. Auf erneute Anfrage bei der LWK hieß es gestern, dass eine Stellungnahme zur Sache nicht möglich sei, die zuständigen Mitarbeiter seien nun im Urlaub. Aber die Flächeneigentümer beziehen Stellung, die der Gemeinde einen „Schlingerkurs“ vorhalten. Völker hingegen spricht von „klaren Botschaften“.

Doch es sei die „erratische Verhandlungsführung“ des Samtgemeindebürgermeisters gewesen, die bei den Eigentümern zum Umdenken geführt habe, sagt Dr. Ties Möckelmann, Sprecher der Eigentümerfamilie. „Wir waren uns schon in den Grundzügen einig. Doch dann gewannen wir den Endruck, dass unter dem nahen Ende der Verantwortung von Herrn Völker keine langfristige Entscheidung zum RuheForst mehr gefällt werden soll.“ Insofern hätte die Kommune auch kein Ultimatum stellen können, da aus Sicht der Eigentümer das Thema bereits beerdigt war. Möckelmann betont, dass es keinen Streit gegeben habe, die Gespräche seien stets sachlich verlaufen. Nur hätte die Samtgemeinde irgendwann mit ihren Forderungen den Rahmen verlassen, der sonst an 63 RuheForst-Standorten üblich sei.

Hingegen sagt Völker: „Ich verstehe, dass in dem Punkt der Risikoabsicherung auch RuheForst Ruhe haben und mit uns keinen Präzedenzfall schaffen möchte. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass sich andere Bürgermeisterkollegen auf die fehlende Risikoabsicherung einlassen.“ Etwas anderes sei es beim Bestattungswald von „Friedwald“, so Völker: „Dahinter stehen die Landesforsten und das Land Niedersachsen als verlässlicher Partner.“

Selbst wenn die Haftungsfrage zu beiderseitigem Einvernehmen geklärt worden wäre, hätte noch die Erschließungsfrage im Raum gestanden. Sowohl Samtgemeinde und Anwohner waren gegen eine Erschließung durch die Wohnsiedlung, stattdessen sollte die Zuwegung im nördlichen Bereich über den alten Heideweg erfolgen.

Zuletzt war ein „RuheForst“-Projekt bei Heiligenthal in der Samtgemeinde Gellersen gescheitert. Nach langen Diskussionen hatte Gellersen schließlich einen wesentlich kleineren Bestattungswald in Eigenregie im Südergellerser Hambörn eingerichtet, ohne LWK und RuheForst als Partner. LWK-Sprecher Walter Hollweg sagt: „Es ist zu Bedauern, dass diese Projekte, die mit Kraft und Ausdauer vorangetrieben wurden, am Ende scheitern sollten.“